Die Politik und Behörden sind in diesem Jahr in heller Aufregung. Der Angriffskrieg Russlands ist dabei nur ein Faktor. Die Bundesländer machen in der Geldwäschebekämpfung Druck, die FIU ist überlastet, Verpflichtete werden von den Entwicklungen überrollt und ein Koalitionsstreit von der EU einfach übergangen. Doch es gibt auch positive Nachrichten: Die Task Force Geldwäsche in NRW meldet Erfolge und deckt unter anderem eine italienische Geldwäscher-Bande auf.
Die Bundesregierung ist seit November 2021 im Amt. Im Januar steht der Koalitionsvertrag der „Fortschrittskoalition“, wie sie sich selbst nennt. Auch die BaFin hat sich für das neue Jahr große Ziele gesetzt. In einem Gastbeitrag in der Fachzeitschrift Bankingclub äußert sich Kerberos Geschäftsführer Christian Tsambikakis optimistisch, dass die Geldwäsche-Bekämpfung in Deutschland Fahrt aufnehmen wird. Das deckt sich mit weiteren Berichten über die Deutsche Bank, die verkündet im Jahr 2022 erstmals mehr als eine Milliarde Euro in den Kampf gegen Finanzkriminalität zu investieren.
Nicht nur der Bund, auch die Länder versuchen aktiver gegen Geldwäsche vorzugehen. Bremen bringt im Februar eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat ein, die darauf abzielt unter anderem Sportvereine, Spieleberater und andere Sportakteure zur Geldwäscheprävention zu verpflichten. Die Initiative scheitert am Widerstand der anderen Bundesländer.
Ein in Deutschland stark diskutiertes Mittel zur Bekämpfung von Geldwäsche – und damit auch deren Vortaten – ist die Vermögensabschöpfung. Im März erringt die SPD im Saarland einen historischen Wahlsieg. Eine Forderung im Wahlprogramm lautet, die Vermögensabschöpfung von Gewinnen aus Straftaten zu vereinfachen. Dem stehen hohe rechtliche Hürden entgegen. Andere europäische Länder gehen hier rigoroser vor. Im Zweifelsfall gilt unter anderem in Italien die Beweislastumkehr. Hier müssen Personen, denen unter anderem Geldwäsche vorgeworfen wird, beweisen, dass dies nicht der Fall ist. In Deutschland gilt hingegen die Unschuldsvermutung – das heißt, die Beweislast liegt beim Staat.
Während die Unschuldsvermutung den Staat daran hindert, in Deutschland effektiver gegen Geldwäsche vorzugehen, prescht der Privatsektor vor. Banken kündigen Anwält:innen im März massenhaft sogenannte „Sammel- und Einzelanderkonten“. Diese sind dafür vorgesehen, (un-)vorhergesehene eingehende Fremdgelder aufzunehmen und an Mandantinnen und Mandanten weiterzuleiten – zum Beispiel in Schadensfällen. Hintergrund der Kündigungen ist eine Änderung in der Aufsichtspraxis der BaFin, die für die Eröffnung von Konten die Angabe der wirtschaftlich Berechtigten vorschreibt. Das ist bei diesen Konten naturgemäß nicht möglich. Eine entsprechende Ausfallregelung, nämlich das Anwält:innen Banken bei Bedarf Auskunft über die wirtschaftlich Berechtigten geben könnten, wurde jedoch durch die BaFin gekippt. Die Änderung wird vom Deutschen Anwaltsverein kritisiert und später durch ein Statement der BaFin wieder entschärft. Dennoch zeigt sich: Auch die sogenannten „Freien Berufe“ werden jetzt verstärkt unter die Lupe genommen.
Die Bundesregierung bringt im Jahresverlauf ein weiteres Projekt voran: Die Bargeldobergrenze. Die FDP wehrt sich. Es entbrennt ein Streit zwischen dem SPD geführten Innen- und dem FDP geführten Bundesfinanzministerium, den die EU beilegt. Denn während sich die Regierungsparteien uneins sind, entscheidet sich die EU-Kommission für die Einführung einer EU-weit bindenden Bargeldobergrenze von 10.000 Euro. Diese wird mit der Verabschiedung der ersten EU-weiten Anti-Geldwäsche Verordnung (EU-AML-VO) automatisch in nationales Recht überführt. Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung.
Zwischen viele Negativ-Schlagzeilen mischt sich eine Positive: Die Task Force Geldwäsche NRW zieht nach ihrem vierjährigen Bestehen erstmals im Sommer 2022 Bilanz. In der Task Force, die ein Vorbild für viele Bundesländer ist, werden Kompetenzen aus verschiedensten Bereichen gebündelt. Hier finden sich zum Beispiel Polizist:innen, Staatswält:innen und Steuerfahnder:innen. In ihrer Bilanz stellt die Task Force besonders aufsehenerregende Fälle vor, wie z.B. die Aufdeckung eines „Hawala-Banking“-Rings (25 Mio. beschlagnahmt), einer italienischen Geldwäscher-Bande (80 Tatverdächtige) sowie die Beschlagnahmung von 25 Millionen Euro bei einem islamistischen Verein, der mutmaßlich Spenden falsch deklariert und zur Terrorismusfinanzierung genutzt hatte.
Im Mai beschließt der Deutsche Bundestag Änderungen am Geldwäschegesetz. Von nun an dürfen auch der Bundesnachrichtendienst, das Zollkriminalamt und andere Behörden einfacher auf die Daten aus dem Transparenzregister zugreifen, wenn es für das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten notwendig ist. Außerdem soll die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen bei der Beschlagnahmung von Geldern von Personen mitwirken, gegen die Sanktionen seitens der Europäischen Union verhängt wurden. Dafür darf sie sogar selbstständige Ermittlungen tätigen. Zudem kann sie die Durchführung von Transaktionen aktiv untersagen, wenn Anhaltspunkte für Geldwäsche oder Embargoverstöße vorliegen.
Ebenfalls im Mai steht der Koalitionsvertrag der neuen NRW-Landesregierung zwischen der CDU und den Grünen. Aus ihm wird ersichtlich, dass die Landesregierung die Vorreiterrolle in der Bekämpfung von Finanzkriminalität unter den Bundesländern behalten will. Die Anti-Geldwäsche-Aufsicht im Nicht-Finanzsektor soll ausgebaut und die Task-Force Gelwäsche gestärkt werden. Weiter sollen alle Behörden insbesondere bei der Abschöpfung inkriminierter Vermögenswerte sowie der Durchsetzung von Sanktionen und Geldwäscheprävention verstärkt an einem Strang ziehen.
Viele der politischen Forderungen des Jahres beziehen sich auf die Arbeit der Behörden. Es ist viel von „Stärkung“ und „Zusammenarbeit“ die Rede. Es lohnt deswegen ein Blick in ebendiese: Im September veröffentlicht die FIU ihren Jahresbericht. Eine Rekordzahl von annähernd 300.000 Verdachtsmeldungen musste die Behörde im Jahr 2021 entgegennehmen. Hiervon wurden jedoch lediglich 13,4 % an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. Das zeugt von einem Qualitätsverlust. Im Jahr 2020 wurden noch 17,2% der Verdachtsmeldungen weitergeleitet. Es spricht jedoch auch vieles für eine Überforderung der Behörde. Ende des Jahres muss sie zugeben, dass sie noch auf rund 100.000 unbearbeiteten Verdachtsmeldungen sitzt. Abhilfe schaffen soll ein neues 2-Level Modell, nachdem eingehende Geldwäsche-Verdachtsmeldungen nach Priorität geordnet verarbeitet werden können. Das kommt jedoch für den obersten Geldwäsche-Bekämpfer Deutschlands, den Chef der FIU, zu spät. Er tritt in der zweiten Dezember-Woche nach bekanntwerden der Missstände zurück.
Christian Tsambikakis
Geschäftsführer