“Wahrscheinlichkeit, bei Unachtsamkeiten bestraft zu werden, steigt.” - Interview mit AML-Experten

Veröffentlicht: 2024-04-15

Über Frank Lässig

Frank Lässig ist ehemaliger Bundeswehr-Offizier und Anti-Geldwäsche Experte bei Kerberos Compliance.

Das Interview führten wir vor dem Hintergrund der vor Kurzem veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik für 2023.

In der Vorab-Berichterstattung zur polizeilichen Kriminalstatistik 2023 wurde häufig entsetzt über einen Anstieg von über 5% der erfassten Straftaten berichtet. Wenig bislang über die 44% Anstieg der erfassten Geldwäsche-Fälle. Woran liegt das?

Dieses Ungleichgewicht in der Berichterstattung lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen.

Zunächst ist das mangelnde Interesse der Medien an komplexen Finanzverbrechen zu nennen. Es scheint, dass die Aufmerksamkeit der Bevölkerung bei Finanzinhalten generell nicht besonders hoch ist, selbst bei skandalträchtigen Themen wie den CumEx-Geschäften oder der Wirecard-Affäre. Diese Zurückhaltung könnte daran liegen, dass Finanzdelikte oft als weniger direkt betreffend oder schwerer verständlich angesehen werden als Verbrechen, die die persönliche Sicherheit oder das Eigentum unmittelbar bedrohen.

Hinzu kommt, dass die Geldwäsche im Vergleich zu Diebstahl und Gewalttaten eine weitaus komplexere Straftat darstellt, deren Mechanismen und Auswirkungen nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sind. Diese Komplexität erschwert es den Medien, die Thematik griffig und verständlich aufzubereiten, was wiederum zu einer geringeren Berichterstattung führt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Fokussierung der politischen und öffentlichen Aufmerksamkeit auf Themen wie Zuwanderung. Dies führt dazu, dass andere, ebenso dringliche Themen, wie die Bekämpfung von Geldwäsche, in den Hintergrund geraten. Die politische Agenda setzt somit Prioritäten, die sich direkt auf die mediale Berichterstattung und die Wahrnehmung in der Bevölkerung auswirken.

Insgesamt zeigt sich, dass das Desinteresse an der Berichterstattung über den Anstieg der Geldwäsche-Fälle sowohl auf die Komplexität des Themas als auch auf die aktuelle politische und mediale Landschaft zurückzuführen ist. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer bewussteren Auseinandersetzung mit Finanzkriminalität und einer stärkeren Betonung ihrer Bedeutung in der öffentlichen Debatte.

Erfreulicherweise liegt der Anteil der aufgeklärten Fälle im Bereich der Geldwäsche bei 90%. Zum Vergleich: Die Straftaten-übergreifende Aufklärungsquote liegt bei nur 58,4%. Also ist eigentlich alles gut, oder?

Das könnte man auf den ersten Blick meinen. Doch bei genauerer Betrachtung ergibt sich ein differenzierteres Bild.

Um die Signifikanz der Aufklärungsquote richtig einordnen zu können, müssen wir einige Zahlen ins Verhältnis setzen. Betrachten wir die Anzahl der Verdachtsmeldungen, die an die Financial Intelligence Unit (FIU) herangetragen werden – etwa 337.000 im letzten Jahr. Von diesen wurden ungefähr 51.000 Meldungen an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. Im Verhältnis dazu stehen die in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten Geldwäsche-Fälle, welche sich auf etwa 32.000 belaufen.

Interessant zu erwähnen ist hierbei, dass sich Geldwäschestraftaten auch aus anderen Straftaten entwickeln können und nicht zwangsläufig ausschließlich aus den FIU-Meldungen herleiten. Das Resultat: Nicht einmal 10% der ursprünglichen Verdachtsmeldungen führen zu erfassten Fällen in der PKS.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in der Diskussion um die Aufklärungsquote oft untergeht, ist die Wertdimension der erfassten Straftaten. Die PKS gibt keinen Aufschluss darüber, in welcher finanziellen Größenordnung sich die aufgedeckten Geldwäscheaktivitäten bewegen. Laut Lagebericht zur organisierten Kriminalität beläuft sich der bekannte Wert aus der Organisierten Kriminalität (OK) auf circa 998 Millionen Euro – im Vergleich zu einem vermuteten jährlichen Geldwäschevolumen von 100 Milliarden Euro ist das nur ein sehr geringer Anteil. Diese Zahlenverhältnisse werfen Fragen nach der tatsächlichen Effektivität der Bekämpfungsmaßnahmen auf.

Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach der Tiefe der Aufklärung. Ist mit der Aufklärung eines Falls auch sichergestellt, dass das gesamte dahinterstehende Netzwerk zerschlagen wurde? Geldwäsche ist selten das Werk von Einzeltätern; vielmehr handelt es sich um ein komplexes Geflecht von Akteuren. Die hohe Aufklärungsquote könnte somit irreführend sein, wenn sie nicht auch die vollständige Neutralisierung der zugrundeliegenden kriminellen Strukturen widerspiegelt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die hohe Aufklärungsquote im Bereich Geldwäsche zwar auf den ersten Blick positiv erscheint, eine tiefergehende Analyse jedoch zeigt, dass signifikante Herausforderungen in der effektiven Bekämpfung dieser Form von Kriminalität bestehen bleiben. Es bedarf einer kontinuierlichen und kritischen Auseinandersetzung mit den vorhandenen Daten, um die Effektivität der Maßnahmen gegen Geldwäsche realistisch bewerten zu können.

Deutschland gilt also weiter als Geldwäsche-Paradies. Welche Auswirkungen hat die PKS 2023 für Verpflichtete?

Um die Auswirkungen der PKS 2023 umfassend zu verstehen, ist es hilfreich, zwischen direkten und indirekten Effekten zu unterscheiden.

**Direkte Auswirkungen**: Die in der PKS 2023 verzeichneten erhöhten Zahlen an Geldwäschedelikten signalisieren eine verstärkte Kontrolltätigkeit und Überwachung durch die Behörden. Dies hat zur Folge, dass die Wahrscheinlichkeit, dass bei Unachtsamkeiten oder auch vorsätzlicher Missachtung der gesetzlichen Regelungen erwischt und entsprechend bestraft zu werden, signifikant steigt. Für Verpflichtete bedeutet dies, dass sie vermehrt in präventive Maßnahmen investieren müssen, um nicht in rechtliche Schwierigkeiten zu geraten. Solche Investitionen erhöhen unweigerlich die Betriebskosten, etwa durch die Einführung oder Verbesserung von Überwachungssystemen und Schulungsprogrammen. Zusätzlich sehen sich Verpflichtete einem erhöhten Risiko von Reputationsverlusten gegenüber, sollte ihre Beteiligung an Geldwäscheaktivitäten aufgedeckt werden, was langfristig geschäftsschädigend wirken kann.

**Indirekte Auswirkungen**: Auf der politischen Ebene sind kurzfristig keine neuen Maßnahmen zu erwarten, da bereits wesentliche Schritte unternommen wurden, um dem Geldwäscherisiko in Deutschland entgegenzuwirken. Ein markantes Beispiel hierfür ist die Errichtung eines neuen Bundesamts zur Bekämpfung von Finanzkriminalität. Es wird vermutet, dass zunächst die Effekte dieser und weiterer Maßnahmen auf die Geldwäschebekämpfung evaluiert, bevor neue Initiativen gestartet werden. Parallel dazu befindet sich auf EU-Ebene ein neues Regulationspaket zur Bekämpfung von Geldwäsche in den finalen Zügen, was die regulatorische Landschaft weiter verändern wird. Dies deutet darauf hin, dass der Bereich der Geldwäscheprävention sich in einem kontinuierlichen Wandel befindet und Verpflichtete sich auf fortlaufende Anpassungen einstellen müssen.

Für Verpflichtete bedeutet dies, dass sie sowohl die direkten als auch die indirekten Auswirkungen der PKS 2023 sorgfältig im Auge behalten und ihre Strategien entsprechend anpassen müssen. Die Notwendigkeit, proaktiv zu handeln und sowohl in präventive Maßnahmen zu investieren als auch regulatorische Entwicklungen zu verfolgen, ist entscheidend, um den komplexen Anforderungen der Geldwäschebekämpfung gerecht zu werden. Die aktuelle Situation erfordert eine flexible und vorausschauende Herangehensweise, um sowohl den betrieblichen als auch den regulatorischen Herausforderungen effektiv zu begegnen.

Wie sollten Verpflichtete also auf die aktuellen Zahlen reagieren?

Angesichts der PKS 2023 ist es ratsam, dass Verpflichtete zunächst ihre bestehenden Sicherungssysteme und -maßnahmen kritisch überprüfen. Eine Möglichkeit, die Wirksamkeit der eigenen Strategien gegen Geldwäsche zu erhöhen, besteht darin, externe Experten hinzuzuziehen. Diese können mit einem frischen Blick und spezialisiertem Wissen helfen, bisher unerkannte Schwachstellen zu identifizieren und zu schließen. Eine solche externe Perspektive kann entscheidend sein, um die eigenen Abwehrmechanismen zu stärken und auf den neuesten Stand zu bringen.

Die Bedeutung von kontinuierlichen Schulungen kann in diesem Zusammenhang nicht genug hervorgehoben werden. Mitarbeiter sollten regelmäßig geschult werden, um die neuesten Methoden der Geldwäsche sowie die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen. Durch intensivierte Schulungen können Verpflichtete sicherstellen, dass ihr Personal besser darauf vorbereitet ist, mögliche Verstöße zu erkennen und zu verhindern.

Unabhängig von der Veröffentlichung der PKS 2023, ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) zur Erkennung von Geldwäschemustern ein wichtiger Trend, den Verpflichtete im Auge behalten sollten. Die fortschreitende Entwicklung und Anwendung von KI-Technologien ermöglicht es, komplexe Transaktionsmuster effizient zu analysieren und verdächtige Aktivitäten schneller zu identifizieren. Die Bereitschaft, in solche Technologien zu investieren, wird zunehmend zu einem unverzichtbaren Bestandteil effektiver Präventionsmaßnahmen.

Darüber hinaus stehen regulatorische Änderungen an, die Verpflichtete berücksichtigen müssen. Das EU-Geldwäschepaket, einschließlich neuer Richtlinien und Verordnungen sowie die Gründung einer neuen EU-Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität, zeigt eine Intensivierung der regulatorischen Bemühungen auf europäischer Ebene. Diese Änderungen werden direkte Auswirkungen auf die Compliance-Anforderungen haben und erfordern eine entsprechende Anpassung der internen Prozesse.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Reaktion auf die PKS 2023 und die Vorbereitung auf die bevorstehenden Entwicklungen eine proaktive und flexible Herangehensweise erfordern. Durch die kontinuierliche Überprüfung interner Sicherungsmaßnahmen, verstärkte Schulungsinitiativen und die Einführung fortschrittlicher Technologien können Verpflichtete nicht nur den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung der Geldwäsche leisten.

Weiter
Weiter

Geldwäsche-Fakten aus der Polizeilichen Kriminalstatistik 2024