“Fakt ist, dass Geldwäscher auch Freie Berufe ausnutzen”

Veröffentlicht: 2024-02-26

Dr. Anna Bolz, Anti-Geldwäsche Expertin bei Kerberos, veröffentlichte in der Januar-Ausgabe des “MgK-Magazins” einen Beitrag zu den Pflichten von Notaren und Rechtsanwälten. Wir sprechen mit ihr über die Gründe für die Verpflichtung der Freien Berufe.

Geldwäscheprävention ist für Rechtsanwälte und Notare nur bei Kataloggeschäften Pflicht. Was macht diese Geschäfte so besonders?

„Kataloggeschäfte“ umfassen vor allem die M&A- und Immobilientransaktionen sowie Finanzierungen. Notare und Rechtsanwälte legen mit ihrer Arbeit hierfür das juristische Fundament und verleihen ihnen somit auch Legitimität.

Letzteres ist es genau das, worauf es Geldwäscher abgesehen haben. Ist der Kauf einer Immobilie notariell beglaubigt, ist das Geld fast schon gewaschen. Wurde das Unternehmen mit einem Stammkapital X gegründet, ist nicht nur der Wert im legalen Wirtschaftskreislauf angekommen – das Unternehmen kann zusätzlich dazu über vermeintlich legale Geschäfte weitere Gelder waschen.

Geldwäscher nehmen hohe Hürden in Kauf, um ihre illegalen Vermögen hierüber reinzuwaschen. Klappt es, lohnt es sich häufig auch auf lange Sicht. Das unterscheiden Kataloggeschäfte von dem Kauf von beispielsweise eines Diamanten mit  inkriminiertem Geld. Dieser wäre zwar Wertträger, doch lässt er sich nach dem Erwerb nicht weiter nutzen, lediglich wieder verkaufen. Wirklich hohe Summen mit Edelmetallen zu waschen geht zwar, ist aber aufwändig.  Aus diesem Grund können Gesellschaften oder Immobilien attraktiver erscheinen.

Die Gefahren klingen erst einmal abstrakt. Kannst du uns Beispiele für Geldwäsche über Anwälte oder Notare nennen?

Im Grunde liest man hierüber viel mehr, als man denkt. Zu denken ist daran, wie Kriminelle unter anderem immer wieder Immobilien erwerben und wer an solchen Transaktionen zwingend beteiligt sein muss. Das sind nicht immer Makler – aber immer Notare. Denn der Kauf von Immobilien muss  notariell beglaubigt werden. Erst dann sind die Verträge rechtskräftig.

Nicht immer ist es aber einfach, die Kriminellen hinter solchen Geschäften als solche zu erkennen. Das ist auch die große Herausforderung für Verpflichtete im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten.

Ein Beispiel für Geldwäsche über Gesellschaften und Immobilien stammt aus März 2023. Dem ehemaligen libanesische Notenbankchef Riad Salameh wurde vorgeworfen, rund 330 Millionen US-Dollar aus der libanesischen Zentralbank veruntreut und gewaschen zu haben. Im Rahmen der Ermittlungen wurden in München und Hamburg Immobilien beschlagnahmt. Außerdem soll er Anteile an einer Düsseldorfer Immobiliengesellschaft gehalten haben.

Man kann den beteiligten Notaren jedoch keinen direkten Vorwurf machen, die Immobilien wurden wahrscheinlich über Briefkastenfirmen und Strohmänner erworben. Die Anforderungen an Anti-Geldwäsche Maßnahmen, die von Notaren und Rechtsanwälten umzusetzen sind und die solche Konstrukte in Zukunft noch stärker verhindern sollen, steigen deswegen kontinuierlich an. Abhilfe schaffen sollen hierbei beispielsweise das (Immobilien-)Transparenzregister und weitere Maßnahmen. 

Was sind aus deiner Erfahrung die größten Herausforderungen für Freie Berufe bei der Identifizierung und Einhaltung ihrer Pflichten?

Aus meiner Erfahrung gestaltet es sich für Rechtsanwälte und Notare schwierig, ihre Pflichten vollständig zu identifizieren, in den geeigneten Fällen anzuwenden und die Dokumentation für alle Mandate rechtskonform sicherzustellen.

Man stellt es sich in der Praxis vor: Ein Mandant kommt in die Kanzlei und verlangt Unterstützung bei einem Kataloggeschäft. Bevor man mit der Beratung starten darf, muss man also erst einmal eine Vielzahl von Pflichten erfüllen, die wiederum auf einer Risikoeinschätzung basieren, die man  im Vorfeld implementiert haben muss.

In einem ersten Schritt müssen Mandanten identifiziert werden. Dabei variieren die gesetzlichen Vorgaben je nachdem ob es sich beim Mandanten um eine natürliche oder um eine juristische Person handelt.

Zudem muss geprüft werden, ob die auftretende Person tatsächlich vertretungsberechtigt ist. Ist die Person die wirtschaftlich Berechtigte – und gibt es noch Weitere, wenn zum Beispiel bei M&As mehrere Unternehmen beteiligt sind? Welche Personen gelten als wirtschaftlich Berechtigte? Sind politisch exponierte Personen beteiligt?  Stimmen die Angaben des Mandaten mit den Einträgen im Transparenzregister überein? Was ist zu tun, wenn nicht? Gibt es auf Mandantenseite einen Bezug zu Hochrisikoländern? Und vieles mehr.

Noch dazu arbeiten Notare und Rechtsanwälte in Sozietäten selten allein. Da alle Berufsträger als natürliche Personen verpflichtet sind, kann sich der Aufwand zur Einhaltung der Präventionsmaßnahmen potenzieren, wenn eine Mehrfachverpflichtung vorliegt. Dies ist der Fall, wenn ein Rechtsanwalt zu einem Kataloggeschäft berät, aber ebenfalls in seiner Berufsträgereigenschaft als Steuerberater Verpflichteter nach dem Geldwäschegesetz ist. Zu denken ist an neu gegründete Unternehmen, die in Steuerfragen beraten werden. Die jeweilige Verpflichtung wird von unterschiedlichen Kammern überwacht, die zudem abweichende Anforderungen an die Aufstellung des Risikomanagements haben können.  

Es kann also schnell unübersichtlich werden.

Ist der Aufwand gerechtfertigt und wie lässt er sich in der Praxis kleinhalten?

Ob gerechtfertigt oder nicht – es ist eine gesetzliche Pflicht. Darüber will ich hier kein Urteil fällen. Natürlich gibt es auch in unseren Gesprächen immer Verpflichtete, die den Aufwand als ungerechtfertigt ansehen. Und es bedarf seitens der Gesetzgebung in Zukunft noch einigen Verbesserungsbedarf und einheitlicherer Standards.

Aber Fakt ist nun mal, dass Geldwäscher auch die freien Berufe auszunutzen versuchen.

Man kann den Aufwand in jedem Fall verringern. Stichworte hier sind Standardisierung, Automatisierung und Zentralisierung. Es ergibt wenig Sinn, die Herausforderungen der Geldwäscheprävention immer wieder allein von vorne aufzurollen. Denn selbst wenn man sich einmal gut aufgestellt hat, müssen alle Maßnahmen regelmäßig wieder überprüft, aktualisiert und angepasst werden.

In jedem Fall sollte man sich eine solide Grundlage in Form einer Risikoanalyse und darauf aufbauenden Richtlinien und Arbeitsanweisungen schaffen. Diese können als Kernelemente des Risikomanagements in regelmäßigen Abständen überprüft und angepasst werden.

Darauf aufbauend sollten dann weitere Systeme eingeführt werden. Hier zum Beispiel standardisierte und zentralisierte Verfahren zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten und Dokumentation. Fehlen darf auch nicht ein funktionsfähiges Meldewesen, was im Verdachtsfall auf alle relevanten Daten zugreifen kann.

Es empfiehlt sich zudem – unabhängig der Größe einer Kanzlei – eine zentrale Ansprechperson zu benennen, die den Überblick über die getroffenen und zu treffenden Maßnahmen behält. In größeren Kanzleien ab 30 Berufsträgern wäre das der Geldwäschebeauftragte, der verpflichtend zu benennen ist.

Wer es sich ganz einfach machen will, kann die meisten dieser Maßnahmen auslagern. Damit erspart man sich nicht nur internen Aufwand, sondern stellt zudem sicher, dass die Maßnahmen auch den sich stets verändernden rechtlichen Anforderungen genügen.

Zudem bieten wir von Kerberos eine zentrale Lösung für die Dokumentation des Risikomanagements. So können bei Prüfungsanfragen der Kammern alle Nachweise nach §52 GwG fristgerecht bereitgestellt werden.

Wer kontrolliert die Einhaltung der Maßnahmen und wie kann man sich hierauf vorbereiten?

Die Kontrolle über die Einhaltung  obliegt  den jeweiligen Kammern. Wir beobachten, dass Kontrollen mit zunehmender Häufigkeit durchgeführt werden. Das lässt sich vor allem an den öffentlichen Bekanntmachungen von unanfechtbaren Bußgeldbescheiden nach §57 GwG auf den Websites der RAKs festmachen. Die RAKs wollen offensichtlich ihre Mitglieder sensibilisieren. In den letzten Jahren wurde der Vorwurf laut, dass insbesondere Rechtsanwälte noch einen hohen Nachholbedarf hätten.

An Zahlen festmachen lässt sich dieser Vorwurf nur schwer. Eine zu nennende Zahl wäre die von der FATF geschätzte Ziffer von ca. 35.000 verpflichteten Rechtsanwälten in Deutschland. Von diesen hatten sich bis Ende 2022 nur 1.266 im Verdachtsmeldeportal „goAML“ registriert. Da diese Registrierung bis Ende 2023 verpflichtend war, könnte das sowie die niedrige Anzahl eingehender Geldwäsche-Verdachtsmeldungen (51 im Jahr 2022) durch Rechtsanwälte ein Indikator für diesen Nachholbedarf sein. Bei Notaren sieht das hingegen anders aus. Hier sind die Registrierungen und Meldungen über das Portal goAML schon 2022 lobenswert gewesen. Dennoch werden auch sie vermehrt geprüft.

Wie man sich vorbereiten kann, liegt auf der Hand: Nicht erst aktiv werden, wenn sich die Kammern melden, sondern dauerhaft für die Einhaltung aller Maßnahmen sorgen.

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