Vonovia – Korruptionsskandal mit Vorbildcharakter

Die EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz hätte bis Ende 2021 umgesetzt werden müssen. Am 10. Februar 2023 – zwei Jahre zu spät – kam der Gesetzesentwurf im deutschen Bundesrat zur Abstimmung. Ergebnis: Abgelehnt. Dabei zeigt auch der Korruptionsskandal bei Vonovia, welchen Mehrwert verlässlicher Hinweisgeberschutz für Unternehmen haben kann.

Zu den Hintergründen: Insbesondere die Unions-geführten Bundesländer fürchten den Mehraufwand für Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden. Die Befürworter hingegen betonen den Mehrwert eines stärkeren Hinweisgeberschutzes. Dieser schütze auch Unternehmen vor Verlusten durch Compliance-Verstöße oder weiterem schädigenden Verhalten durch Angestellte.

Wenige Tage später startete die EU ein Vertragsverletzungsverfahren. Deutschland könnte mit täglichen Strafzahlungen belegt werden. Die Bundesregierung berät derweil über einen Entwurf, den sie auch am Bundesrat vorbei umsetzen könnte.

Der Streit entbrach vor allem um die verpflichtende Einrichtung von Hinweisgebersystemen. Über diese können Mitarbeitende Compliance-Verstöße von Kolleg:innen, Vorgesetzten oder anderen melden. Zudem schließt ein Hinweisgebersystem einen strukturierten Umgang mit eingehenden Hinweisen ein. So können sich Meldende sicher sein, dass sie keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen fürchten müssen.

Der Entwurf sah vor, dass Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden interne Hinweisgebersysteme bereitstellen sollten. Angestellte hätten überdies die Möglichkeit bekommen müssen, auch anonym Meldungen zu erstatten. Zusätzlich zu internen Meldestellen sollten auch externe Meldestellen durch die Länder betrieben werden.

Compliance-Versagen bei Vonovia

Der Vonovia-Skandal zeigt beispielhaft, wie teuer Compliance-Verstöße sind und wie Schaden durch die Nutzung eines internen Hinweisgebersystems hätte abgewendet werden können.

Nachdem am 07. März bekannt wurde, dass die Vonovia Zentrale sowie zahlreiche andere Objekte von der Staatsanwaltschaft Bochum durchsucht wurden, gab zuallererst der Aktienkurs nach. Laut Recherchen der Süddeutschen Zeitung fällt der finanzielle Schaden jedoch weitaus höher aus.

Gegen Schmiergeld an Mitarbeiter:innen einer Vonovia-Tochter konnten unter anderem Handwerksbetriebe überhöhte Rechnungen für teils noch nicht einmal erbrachte Leistungen stellen. Es geht um Beträge in Millionenhöhe.

Geschmiert wurde per Überweisung oder durch materielle Güter wie Garagentore oder Solaranlagen.

Finanzieller Schaden und Vertrauensverlust

Wie viel Geld Vonovia – die in diesem Skandal als Geschädigte gilt – abhandengekommen ist, ist noch unklar. Auszuschließen ist jedoch nicht, dass letztendlich die Mieter:innen des größten Europäischen Wohnungskonzerns dafür aufgekommen sind – oder noch aufkommen werden. Denn sie finanzieren den Konzern durch Mietzahlungen.

Große Wohnungskonzerne wie Vonovia haben spätestens seit der Enteignungs-Debatte in Berlin ein Image-Problem. Hohe Mietpreise zu Gunsten von korrupten Angestellten gießen zusätzliches Öl ins Feuer.

Compliance-Systeme werden geprüft

Entsprechend schnell reagierte Vonovia. Die Prüfungsgesellschaft Deloitte soll als unabhängiger Prüfer fungieren und Schwächen in den Compliance-Systemen aufzeigen, die im Falle des Tochter-Unternehmens versagt hätten. Dazu sollte auch ein Hinweisgebersystem gehören. 

„Aber auch das beste Compliance-System kann nicht verhindern, dass Menschen mit krimineller Energie abgesprochen gemeinsam ein solches System unterlaufen“, so das Unternehmen in einer Unternehmensmeldung.

Pro oder kontra Compliance?

Trotz des Hinweisgebersystems, welches Vonovia nach eigenen Aussagen betreibt, kam es zu eklatantem Fehlverhalten durch Angestellte. Ist das Konzept also hinfällig? Mitnichten.

Denn das Auffliegen des Skandals ist auf einen Hinweis zurückzuführen: Im Dezember 2021 ging laut SZ ein anonymer Hinweis bei der Staatsanwaltschaft Bochum ein, der die korrupten Machenschaften detailliert beschrieb.

Herauszufinden, warum der oder die Hinweisgebende sich direkt an die Staatsanwaltschaft und nicht an die internen Meldestellen gewandt hat, dürfte ein Auftrag an Deloitte sein. Insbesondere wenn sich herausstellen sollte, dass es sich um ein:e Mitarbeiter:in des Tochter-Unternehmens handelte.

Interne versus externe Hinweisgebersysteme

Hinweisgebersysteme werden nicht nur im Entwurf des abgelehnten Hinweisgeberschutzgesetz vorgeschrieben. Sie sind schon heute in unterschiedlichsten Formen nach dem Geldwäsche- oder dem neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtend.

Die Vorteile von internen Hinweisgeberstellen liegen auf der Hand. Im Falle der Vonovia-Tochter hätte – sofern der Hinweis intern eingegangen wäre – das Unternehmen selbst proaktiv handeln, Beweise sammeln und die betroffenen Angestellten anzeigen können. 

Dann wäre sie höchstwahrscheinlich nicht von einer Razzia überrascht worden. Der Verlust auf dem Aktienmarkt wäre geringer ausgefallen. Das Vertrauen von Mieter:innen und Anleger:innen in die Compliance des Konzerns hätte sogar gestärkt werden können.

Bedeutung für kleinere Unternehmen

Studien weisen indes auch auf den positiven Nutzen von Hinweisgebersystemen hin. „Ein Unternehmen wird häufig erst durch das Whistleblowing auf seine eigenen Schwachstellen und Missstände aufmerksam (…)“, so die Rechtswissenschaftlerin Manuela Sixt in einer Einleitung zu einem Fachbuch über Whistleblowing des Springer Verlags.

Diese Vorteile gelten für große Unternehmen wie Vonovia als auch für Unternehmen mit weniger Beschäftigten. Gerade dort kann es durch die geringere Anzahl der Angestellten zu größeren Abhängigkeitsverhältnissen und dem Fehlen alternativer Ansprechpartner:innen kommen.

Auch bevor die EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie in Deutschland umgesetzt wird, lohnt sich die Einführung eines Systems also. Die Kosten hierfür sind übersichtlich.

Betreiben eigener Hinweisgebersysteme

Hinweisgebersysteme zu betreiben ist unkompliziert. Kerberos bietet kostengünstige Hinweisgebersysteme für Unternehmen jeder Größe an. Über diese können Mitarbeitende nicht nur anonyme Hinweise abgeben. Mittels eines speziellen Postfachs ist es den Unternehmen auch möglich, nach Abgabe einer Verdachtsmeldung über das Hinweisgebersystem mit der meldenden Person in Kontakt zu treten – sollten Rückfragen beim Aufdecken unternehmensgefährdender Verhaltensweisen bestehen.

Christian Tsambikakis

CEO Kerberos Compliance

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