Zwischen Innovation und Risiko - Kryptowährungen im Fokus des Geldwäschebeauftragten
Veröffentlicht: 2025-07-10
Im Webinar verdeutlichte Anti-Geldwäsche Experte Frank Lässig die rasante Entwicklung der Kryptowerte-Landschaft und deren Auswirkungen auf die Geldwäscheprävention. Lesen Sie hier die Zusammenfassung.
Mit 8.700 kryptobezogenen Verdachtsmeldungen im Jahr 2024 und einem Rekord von 87.731 FIU-Analyseberichten zeigt sich deutlich: Digitale Vermögenswerte sind längst kein Randphänomen mehr, sondern zentraler Bestandteil moderner Geldwäschestrategien. Compliance-Expert:innen müssen sich auf verschärfte Regulierung durch MICAR und die EU-Geldtransferverordnung einstellen, während gleichzeitig neue Risikoindikatoren und Warnsignale erkannt werden müssen.
1. FIU-Jahresbericht 2024: Zentrale Erkenntnisse zu Kryptowerten
Meldungsaufkommen und Qualitätsstrategie
Die FIU verzeichnete 2024 einen bewussten Rückgang der Verdachtsmeldungen auf 265.708 (minus 17% gegenüber 2023), was auf die gemeinsam mit der BaFin entwickelten "Negativtypologien" zurückzuführen ist. Diese Orientierungshilfen sorgen für mehr Präzision bei den Meldepflichten und reduzieren unnötige Meldungen erheblich.
Zentrale Zahlen 2024:
87.731 Analyseberichte (Rekordwert, +8% vs. 2023)
8.700 Verdachtsmeldungen mit Kryptobezug
98.810 neu registrierte Verpflichtete (+215%)
Nur 4.059 Verpflichtete gaben tatsächlich Meldungen ab
Kryptowerte-Schwerpunkt der FIU-Analyse
Bitcoin war 2024 mit Abstand am häufigsten von Verdachtsmeldungen betroffen, gefolgt von Ethereum, Ripple (XRP), Tether und Litecoin. Auffällig: Immer mehr Meldungen stammen direkt von CASPs (Crypto Asset Service Providern), was zeigt, dass diese ihre Compliance-Verantwortung zunehmend ernst nehmen.
Neue Herausforderungen für Verpflichtete
Die FIU identifizierte folgende strukturelle Probleme:
Geldströme verlaufen verschleierter
Transaktionen werden technisch komplexer
Wirtschaftlich Berechtigte lassen sich nicht ohne Weiteres identifizieren
Zunehmende internationale Bezüge erschweren die Verfolgung
Geflecht aus digitalen und klassischen Transaktionswegen
2. Blockchain-Technologie verstehen: Grundlagen für Compliance-Expert:innen
Zentrale Begriffe und Definitionen
Blockchain: Dezentrales, fälschungssicheres digitales Register, in dem Transaktionen chronologisch in Blöcken gespeichert und miteinander verknüpft werden.
Wallet-Kategorien:
Custodial Wallets: Verwaltet durch Anbieter (höhere Compliance-Kontrolle)
Non-custodial Wallets: Unter eigener Kontrolle (höheres Geldwäscherisiko)
Smart Contracts: Automatisierte, programmierte Verträge auf der Blockchain, die sich selbst ausführen - besondere Herausforderung für KYC/AML-Prüfungen.
Kategorisierung von Kryptowerten nach MICAR (EU-Verordnung)
E-Geld-Token (EMT):
1:1 an gesetzliche Währung gebunden
Rücktauschpflicht, reguliert wie E-Geld
Beispiel: EUROe
Vermögenswertreferenzierte Token (ART):
Wertbindung an Korb von Währungen oder Rohstoffen
Kein garantierter Nennwert bei Rücktausch
Beispiel: PAX Gold (XAUT)
Sonstige Token:
Kryptowährungen: Bitcoin, Ether
Utility Token: Digitale "Zugangsmarken" für Plattformen
Beispiel: Binance Coin (BNB)
3. Geldwäsche 2.0: Neue Strategien und Warnsignale
Hochrisiko-Methoden für Compliance-Monitoring
Privacy Coins (Monero, Zcash):
Nahezu vollständige Anonymität
Kaum regulatorisch kontrollierbar
Compliance-Maßnahme: Automatische Risikoklassifizierung bei Kontakt
Mixing/Tumbling-Dienste:
On-Chain-Analysen werden deutlich erschwert
Häufig im Layering-Prozess eingesetzt
Compliance-Maßnahme: Blockchain-Analyse-Tools implementieren
Asset- und Chain-Hopping:
Erschwert Rückverfolgung durch verschiedene Blockchain-Standards
Compliance-Maßnahme: Cross-Chain-Monitoring etablieren
DeFi-Protokolle:
Keine klassische KYC/AML-Prüfung
Vollautomatische Systeme ohne menschliche Kontrolle
Peer-to-Peer-Transfers:
Direkter Wallet-to-Wallet-Transfer
Oft kombiniert mit Chain-Hopping
Ausländische Exchanges:
Non-EU-Börsen ohne AML-Standards
Fehlende Kooperation mit EU-Behörden
Praktisches Geldwäsche-Beispiel aus dem FIU-Bericht
Ein exemplarischer Fall zeigt ein internationales Krypto-Netzwerk mit 44 Bankkonten und 8 Kryptobörsen-Konten eines einzelnen Hauptbeteiligten. Die Täter nutzten Masternode-Server und NFTs zur Verschleierung von Anlegergeldern.
Drei-Phasen-Modell:
Placement:
Krypto-ATMs für Bargeldeinspeisungen
Strohmänner bei P2P-Marktplätzen
Aufteilung auf mehrere Wallets
Layering:
Mixing-Dienste
Chain-Hopping: BTC → ETH
Kauf selbst erstellter NFTs
Integration:
Verkauf der NFTs an Strohpuppen
ETH → USDT → Euro
Auszahlung über ausländische Börsen
4. MICAR & EU-Geldtransferverordnung: Regulatorische Neuerungen
Travel Rule für Kryptowerte
Die EU-Geldtransferverordnung führt eine Travel Rule für virtuelle Vermögenswerte ein:
Verpflichtung zur Übermittlung von Absender- und Empfängerdaten
Analog zu klassischen Banküberweisungen
Gilt für alle CASP-zu-CASP-Transfers
CASP-Regulierung ab Juni 2024
Crypto-Asset Service Provider (CASP) unterliegen künftig:
EU-weiter Lizenzierung und Aufsicht
Verschärften KYC/AML-Anforderungen
Regelmäßiger Compliance-Berichterstattung
Neue Verpflichtete ab 2027/2029
Ab Juli 2027 werden Crowdfunding-Anbieter, Krypto-Dienstleister und Luxusgüterhändler zu Verpflichteten, ab Juli 2029 auch Fußballvermittler und Profifußballvereine.
5. Blockchain als Compliance-Tool: Chancen und Risiken
Vorteile für AML-Compliance
Transparenz: Alle Transaktionen sind öffentlich einsehbar
Unveränderlichkeit: Transaktionen können nachträglich nicht verändert werden
Nachverfolgbarkeit: Vollständige Transaktionshistorie verfügbar
Neue Analysetools der FIU
Die neue Analyseeinheit "Sharks" nutzt Netzwerkanalysen, On-Chain-Analysetools und OSINT-Recherchen, um Betrugs- und Geldwäschestrukturen zu enttarnen. Der "Follow-the-Money"-Ansatz wird künftig bei der Auswahl von Verdachtsmeldungen eine größere Rolle spielen.
Technische Herausforderungen
Pseudonymität: Wallet-Adressen sind nicht direkt mit Identitäten verknüpft
Cross-Chain-Komplexität: Verschiedene Blockchains erschweren die Verfolgung
DeFi-Innovationen: Neue Finanzprodukte entwickeln sich schneller als Regulierung
6. Handlungsempfehlungen für Geldwäschebeauftragte
Sofortige Maßnahmen
Aktualisierung der Risikobewertung bei Kryptowerten: Anpassung der Risikoklassifizierung für Kunden mit Kryptowertebezug
Mitarbeiter:innen-Schulungen: Sensibilisierung für neue Geldwäsche-Typologien
Monitoring-Systeme erweitern: Integration von Blockchain-Analyse-Tools
Meldeprozesse optimieren: Implementierung der FIU-Negativtypologien
7. Internationale Zusammenarbeit und EU-AMLA
Neue EU-Strukturen ab 2025
Die Anti-Money Laundering Authority (AMLA) in Frankfurt wird ab 2025 die Koordination der FIUs in der EU massiv stärken. Ab 2028 soll die AMLA voll operativ sein.
Auswirkungen für deutsche Verpflichtete:
Harmonisierte EU-weite AML-Standards
Grenzüberschreitende Datenanalyse
Einheitliche Sanktionsregime
Aktuelle Kooperationsformate
Die FIU Deutschland war 2024 in multilaterale Initiativen wie die Counter Terrorist Financing Taskforce Israel (CTFTI) und das Netzwerk Russian-Related Illicit Financial Flows (RRIFS) eingebunden.
Fazit und Ausblick
Die Kryptowerte-Landschaft verändert die Geldwäschebekämpfung fundamental. Der starke Anstieg verdächtiger Krypto-Transaktionen belegt: Die FIU muss immer schneller und präziser auf neue Methoden reagieren. Für Geldwäschebeauftragte bedeutet dies: kontinuierliche Weiterbildung, technologische Aufrüstung und internationale Vernetzung sind unverzichtbar.
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren:
Proaktive Anpassung an neue Typologien
Investment in Blockchain-Analyse-Technologien
Enge Kooperation mit nationalen und internationalen Partnern
Ausgewogenes Verhältnis zwischen Innovation und Risikokontrolle
Nächste Schritte: Bereiten Sie Ihre Organisation systematisch auf die MICAR-Umsetzung vor und nutzen Sie die von Kerberos Compliance angebotenen Schulungs- und Beratungsleistungen zur optimalen Positionierung in der neuen regulatorischen Landschaft.
Diese Zusammenfassung basiert auf dem Kerberos Compliance Webinar vom 10.07.2025 sowie aktuellen Erkenntnissen aus dem FIU-Jahresbericht 2024.