"Die Realität ist deutlich komplexer als die Theorie. " - Interview mit einem Geldwäschebeauftragten
Veröffentlicht: 2025-08-12
Thomas Manzey ist Head of AML Compliance - Financial & Payment Services bei Kerberos Compliance und als externer Geldwäschebeauftragter unter anderem für Finanzunternehmen tagtäglich im Einsatz. Wir sprechen über die An- und Herausforderungen an Geldwäschebeauftragte bei Verpflichteten unter Aufsicht der BaFin.
Thomas Manzey
Welche Aufgaben umfasst die Rolle eines Geldwäschebeauftragten heute wirklich?
Thomas Manzey: Die Realität ist deutlich komplexer als die Theorie. Klassische Aufgaben wie Risikoanalysen, interne Grundsätze und Verdachtsmeldungen sind nur die Basis. In der Praxis fungieren Geldwäschebeauftragte als Vermittler zwischen regulatorischen Anforderungen und praktikablen Geschäftsprozessen. Sie haben einen einzigartigen Überblick über verschiedene Unternehmensprozesse und werden bei wichtigen Geschäftsentscheidungen als strategische Sparringspartner geschätzt.
Wie wirken sich die aktuellen regulatorischen Änderungen aus?
Thomas Manzey: Die Verschärfungen sind erheblich. Die BaFin hat die Aktualisierungszyklen drastisch verkürzt – Hochrisikokunden müssen nun jährlich statt alle zwei Jahre überprüft werden. Hinzu kommt die EU-Geldwäscheverordnung ab Juli 2027 und noch auszuarbeitende AMLA-Standards für die Aufsichtspraxis – die indirekt wohl auch auf viele Weitere, als nur die direkt von der AMLA beaufsichtigten Institute abstrahlen werden. Das bedeutet eine hohe Transformationsanforderung für Unternehmen.
Viele Zahlungsinstitute und Finanzdienstleister stehen vor der Entscheidung: interne Bestellung oder Auslagerung. Was sind die typischen Kostenfaktoren?
„ Eine interne MLRO-Vollzeitstelle kostet laut Stepstone durchschnittlich knapp 97.000 Euro jährlich.“
Thomas Manzey: Eine interne MLRO-Vollzeitstelle kostet laut Stepstone durchschnittlich knapp 97.000 Euro jährlich – das ist nur das Grundgehalt. Mit Arbeitgeberanteilen, Weiterbildung und Infrastruktur landen Sie schnell bei weitaus höheren Summen. Hinzu kommen versteckte Kosten wie Rekrutierung, besonderer Kündigungsschutz und Wissenserhalt bei Personalwechsel.
Wie läuft eine Auslagerung der MLRO-Funktion konkret ab?
Thomas Manzey: Zunächst führen wir eine Gap-Analyse durch, um den aktuellen Compliance-Stand zu bewerten. Dann erfolgt die formale Bestellung des externen Geldwäschebeauftragten und seines Stellvertreters. Parallel dazu implementieren wir die notwendigen Compliance-Systeme und Prozesse. Besonders wichtig: Wir übernehmen auch die Auslagerungsanzeige bei der BaFin, da diese die MLRO-Funktion explizit als kritische Funktion klassifiziert.
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Leistungen
Risikoanalyse: Unterstützung bei Erstellung und Aktualisierung
Richtlinien: Ausarbeitung von Grundsätzen, Verfahren und Kontrollen
MLROs: Stellung von externen MLROs und Stellvertretern
Transparenzregister: Anleitung zur Eintragung
goAML: Registrierung zur Abgabe von Verdachtsmeldungen
Schulungen: E-Learnings für Sie und Ihre Angestellten
Monitoring: Ihrer Compliance Dokumente und Maßnahmen
Prüfungen: Übernahme der Kommunikation mit Aufsichten und Behörden
Report: regelmäßige Abstimmungen zum aktuellen Compliance Status
Welche konkreten Vorteile hat das für Zahlungsinstitute?
Thomas Manzey: Der Hauptvorteil liegt in der Spezialisierung und Expertise. Wir verfügen über branchenübergreifende Expertise und bleiben kontinuierlich auf dem neuesten regulatorischen Stand. Zudem bieten wir Backup-Abdeckung – wenn ein MLRO ausfällt, springt sofort ein qualifizierter Stellvertreter ein. Das können interne Einzellösungen nicht gewährleisten.
„Zudem bieten wir Backup-Abdeckung – wenn ein MLRO ausfällt, springt sofort ein qualifizierter Stellvertreter ein.“
Gibt es branchenspezifische Unterschiede?
Thomas Manzey: Absolut. Zahlungsinstitute haben meist bereits Transaktionsmonitoring-Systeme implementiert, aber die eigentliche Herausforderung liegt in der qualifizierten Auswertung verdächtiger Fälle. Hier profitieren sie besonders von externen Geldwäschebeauftragten, die über umfangreiche Erfahrung in der Bewertung komplexer Transaktionsmuster verfügen.
Leasing-Unternehmen beispielsweise sind hingegen häufig historisch gewachsen und aufgrund ihrer übersichtlichen Zahlungsströme nicht vollständig digitalisiert – was besondere Herausforderungen nicht nur für das Transaktionsmonitoring sondern auch die Einhaltung der Sorgfaltspflichten nach aktuellen Standards mit sich bringt. Dem nehmen wir uns dann mit als Erstes an.
Welche Fehler sollten Unternehmen bei der MLRO-Entscheidung vermeiden?
„Der häufigste Fehler ist, die Entscheidung zu lange aufzuschieben. “
Thomas Manzey: Der häufigste Fehler ist, die Entscheidung zu lange aufzuschieben. Die regulatorischen Anforderungen steigen kontinuierlich, und nachträgliche Compliance-Implementierung ist immer teurer und riskanter – auch wegen der hohen Strafen durch die BaFin. Ein weiterer Punkt: Viele unterschätzen die Komplexität der Stellvertreterregelung. Sie benötigen nicht nur einen MLRO, sondern auch einen qualifizierten Stellvertreter mit entsprechender Zertifizierung.
Was sollte man bei der Entscheidung beachten?
Thomas Manzey: Handeln Sie proaktiv. Je früher Sie professionelle Strukturen aufbauen, desto besser sind Sie für künftige Prüfungen gerüstet. Bewerten Sie ehrlich Ihre internen Ressourcen: Können Sie die steigenden Anforderungen mit der notwendigen Qualität erfüllen? Lautet die Antwort nicht klar: Ja! Dann sollten Sie sich zumindest externe Unterstützung sichern.